Britta Jakobs schreibt über skurrile und witzige Begegnungen als Immobilienmakler. Die erhebenden Feel-Good-Geschichten und bewegende Momente überraschen mit Herz und Humor. Kommen Sie zur Besichtigung der guten Gefühle.

Story 1: Ein Immobilienmakler ist eigentlich ein Friseur

„Na ja, ich dachte, der Wert wäre höher“, hörten wir einen vornehmen, älteren Herrn in Anzug und Hut. Das perfekt geschnittene Gesicht, mit Fältchen an den richtigen Stellen, umrahmt von vollem, weißen Haar, strahlten Eleganz aus. Sein angenehmes Gesicht zeugten von einem langen, erfüllten Leben. Doch er hatte auch etwas Melancholisches. Mein Kollege und ich warteten auf unseren Termin beim Bodenrichtwertstelle in Berlin-Wilmersdorf. Dieses Amt bot Daten zur Ermittlung des Grundstückswerts an, die auf früheren Verkäufen basierten und vom Gutachterausschuss erhoben wurden. Zur Bodenrichtwertstelle gingen Verkäufer und Makler bevor es das Internet gab. Dorthin gingen wir auch manchmal auch einfach, um Kunden zu gewinnen. An diesem Tag kamen wir allerdings wegen einer Bewertung und gingen mit einem Auftrag. „Ich wollte nicht uneingeladen lauschen, konnte aber nicht weghören. Sie scheinen enttäuscht zu sein.“ Ich sprach den Herrn an, gab ihm meine Visitenkarte und stellte mich vor. Mein Kollege war zwischenzeitlich an der Reihe, die gewünschten Werte einzusehen.

"Wir können für Sie den am Markt möglichen Wert ermitteln, der normalerweise höher als der Bodenrichtwert ausfällt. Unser Service wäre für Sie kostenlos und unverbindlich.“ Wir setzten unser Gespräch draußen fort. Er besaß ein Baugrundstück, genutzt als Schrebergarten mit einer Gartenhütte, auf dem die Familie unzählige glückliche Tage verbracht hatte.

"Ich möchte jetzt alles regeln. Lungenkrebs, noch 4 Monate. Wem soll ich das Grundstück vermachen? Meine 4 Kinder würden sich wahrscheinlich bis aufs Blut um das Grundstück zerstreiten, weil es vermutlich jeder von ihnen will. Das macht mir zu schaffen. Das Beste ist wohl, es zu verkaufen und den Erlös zu teilen“, erklärte er. „Alles zu regeln und der Verkauf werden Sie ablenken und beruhigen. Und anstatt sich wegen des Erbes zu zerstreiten, bleiben die Geschwister eine enge Familie. Das ist das klügste und beste Erbe, das Ihre Kinder von Ihnen bekommen können.“, erwiderte ich, etwas in Gedanken.

„Sie sind viel zu jung, um das alles zu wissen“ lächelte er mich charmant an. Flirtete er? „Und ich mag es, dass Sie Klartext reden, anstatt mich zu bemitleiden. Wo kann ich den Maklervertrag unterschreiben?“ Wie sollte er wissen, dass ich einen hässlichen Erbschaftsstreit zwischen meinem Vater und seinen Geschwistern erlebt hatte? Und eine Woche vorher hatte ich eine Freundin besucht, die zuvor an Brustkrebs operiert worden war. Sie erzählte mir, sie sei froh gewesen, dass ich versucht hatte, sie mit Witz-Comics aufzuheitern, anstatt sie zu bemitleiden. Wir lachten so viel, dass eine Krankenschwester ihren Kopf zur Tür hereinsteckte. „Was ist denn hier los? Warum lachen Sie so laut? Haben Sie etwa was mit der Patientin geraucht?“ sagte sie laut und streng. Sie sah sich im Flur um, trat ins Krankenzimmer ein und flüsterte: „Nicht weitersagen. Ich könnte auch einen Zug vertragen, heute ist hier ein Irrenhaus.“

Nach 6 Wochen verkauften wir das Grundstück des älteren Herrn an eine junge Familie, mit 2 Kindern, die ein Jahr lang nach dem perfekten Grundstück für ihr Einfamilienhaus gesucht hatte. Die Kinder rannten bei der Besichtigung ausgelassen über den Rasen. Die jungen Eltern bewunderten die alten Obstbäume und fragten, ob wir die Sorten kennen. Sie planten gleich, wo Sie das Haus platzieren werden, um die Bäume zu erhalten. „Und alle Sachen in der Laube sind im Kaufpreis enthalten? Auch der neue Rasenmäher, alle Gartengeräte, die Maschinen und das Werkzeug. Wir können alles gut gebrauchen, da wir jetzt nur eine kleine Wohnung haben. Wollen die Verkäufer denn nicht die massiven Teakholzmöbel mitnehmen? Das sind doch alles Werte!“. Sie konnten das Angebot kaum fassen und sagten glücklich zu. Der Verkäufer war noch glücklicher, da der Verkaufspreis 40 % über dem Richtwert lag und die Käufer seine geliebten Gartenschätze weiter nutzen würden.

Der Verkäufer konnte den Notartermin krankheitsbedingt nicht wahrnehmen, wohl aber 2 seiner Kinder. Eine seiner Töchter erzählte es uns später. „Unser Vater hätte es gern gesehen, wenn das Grundstück in unserer Familie geblieben wäre. Aber er hat sich dann aber auch gefreut, dass eine junge Familie dort ihr Nest baut. Er wird Sie auch noch anrufen. Und meine Geschwister und ich sind überglücklich über den Verkauf. Wir konnten es nicht übers Herz bringen, unserem Vater zu beichten, dass keiner von uns die Zeit oder die Lust hat, den Garten zu übernehmen und zu pflegen. Aber sagen Sie es ihm das bloß nicht, wenn er anruft.“

Familie und Immobilien versiegen nie als Quelle für Geschichten. Die Familienmitglieder leben zusammen, reden aber oft nicht miteinander. Zeit, Interesse oder die richtigen Worte scheinen ihnen zu fehlen. Was meinen Sie? Ist es besser zu reden, um Missverständnisse zu vermeiden, oder zu schweigen und Missverständnisse zu vermeiden?

Es ist mir peinlich, dass mein Papi mir diese Wohnung kaufen will.“ Lassen Sie Ihre Fantasien bitte mal beiseite! Papi war kein Sugardaddy, sondern der leibliche Vater von Miss es-ist-mir-peinlich. Papi war respektabel, seriös, ein Handwerksmeister, antike, aber saubere Jeans, Pullover, Cowboy-Stiefel, Basecap, Mitte vierzig, stattlich.

Ein Immobilienmakler und ein Friseur teilen ein seltenes Privileg. Fremde erzählen ihnen oft, was ihnen auf der Seele brennt. Ohne eine Lösung zu erwarten, wollen sie etwas Mitgefühl. Oft möchten Sie nur mal ihre Sorgen oder Gedanken auslüften. Wir fühlten uns nie gestört, sondern geehrt, dass uns Wildfremde dann als Windkanal sympathisch genug finden.

„Ich bin 22 und verdiene mein eigenes Geld. Es ist Zeit, mein eigenes Leben zu leben, unabhängig, ohne Hilfe meiner Eltern. Sie wollen immer noch alles für mich regeln. Bin ich undankbar?“, fragte mich Miss es-ist-mir-peinlich. Ihre sehr schlanke Statur wirkte noch schmaler durch die schwarzen Klamotten, betont durch blauschwarzen Pferdeschwanz, das kohlschwarze Augen-Make-up, schwarzen Nagellack und schwarzen Lippenstift. Wir standen im Wohnzimmer. Papi maß gerade das kleine alte Duschbad bei geschlossener Badezimmertür auf und konnte uns nicht hören. Mama, eine Krankenschwester, hatte die Besichtigung vereinbart, konnte aber, wegen ihrer Schicht, nicht besichtigen. Die Mutter hatte uns erklärt, welche Schwierigkeiten die Familie miteinander hatte.

„Wir Eltern hatten es echt schwer mit ihr, während ihrer langen Teenagerjahre. Jetzt, wo unsere Tochter älter und etwas verträglicher ist, hat sich unsere Beziehung sehr verbessert. Sie sieht zwar immer noch aus wie eine Rebellin, aber ich mag ihren Look mittlerweile. Wir werden unseren Liebling sehr vermissen, wenn sie ausgezogen ist.“ Ich hörte, wie ihr die Tränen kamen und versuchte, sie zu trösten. „Viele Eltern vertrauen uns an, dass sie sich wieder besser mit ihren Kindern verstanden haben, nachdem sie ausgezogen sind.“ Ich meinte die Kinder, nicht die Eltern, die wegzogen.

Wahrscheinlich sind deine Eltern einfach nur traurig“, sagte ich zu Miss Schwarz-Peinlich, die gebeten hat, geduzt zu werden. „Du bist immer noch ihr kleiner Schatz, der aber schon lange weg ist. Sie haben das Gefühl, dich für immer zu verlieren, wenn du ausziehst. Dir dein neues Zuhause zu geben, ist vielleicht ihre Art zu zeigen, wie sehr sie dich lieben.“ Am selben Nachmittag rief der Vater an: "Die Wohnung hat uns gefallen, wir wollen kaufen. Aber eine Sache noch. Ich weiß nicht, ob Sie ihr etwas gesagt haben, aber unsere Tochter hat uns erstmals nach 3 Jahren, wieder umarmt und gesagt, dass sie uns auch liebt. Das hat sie jahrelang nicht mehr gesagt.“ Entschuldigung, hat mal jemand ein Taschentuch für mich?

Story 2: Warum eine Frau sich in einen Keller verliebte

"Mir gefällt das Haus und der Garten. Aber den Keller liebe ich.“, rief die Hausinteressentin begeistert. Die attraktive, humorvolle, Mittfünfzigerin, platinblonder Bob, die großartige Figur mit Jeans und roter Lederjacke betont, strahlte, als hätten wir sie gerade durch das Taj Mahal geführt. Ihr ruhiger Mann, etwas unscheinbar, mit schütterem aschblond-grauem Haar, gemütliches Bäuchlein über dem Cord Hosenbund, unter der Funktionsjacke, lächelte sie an, als hätte SIE ihm die Taj Mahal-Führung gegeben. Wir dachten, wir hätten als selbstständige, jahrzehntelange Immobilienmakler in Berlin, schon alles erlebt. Dominas, Kunstwerke in der Küche, Messies in allen Stadien. Aber die Keller-Liebe war neu.

Das Paar und zwei weitere Interessenten hatten das Haus besichtigt. Sie mochte die Blumenbeete, den Leseplatz im Garten, die Terrasse und den Hausgrundriss. Er lächelte nur einmal, als er das professionelle Bewässerungssystem im Garten entdeckte. Er besichtigte das Haus, ohne ein Wort zu sagen, außer der warmherzigen Begrüßung. Wenn nicht nur lebendige Wesen, sondern auch Gebäude Zwillinge haben könnten, sein Zwillingsbruder wäre dieses Reihenhaus gewesen. Erbaut in den 1970er Jahren, etwas abgewohnt, dennoch gut gealtert, das Wesentliche ja, aber nicht Luxus renoviert, pflegeleicht und schnörkellos. "Entschuldigung, das klang etwas komisch, als hätte ich Kerker-Fantasien. Stimmt nicht. Mein Mann auch nicht. Aber er liebt es, Dinge zu sammeln. Wenn ich ihn suche, muss ich nur im Garten, im Schuppen oder im Keller nachsehen.“ Erklärte die Frau von Herrn Haus-Zwilling. Abwarten, da kommt noch mehr …

Die kleinen Dinge, die neben den persönlichen Kriterien, den Immobilienverkauf entscheiden, erstaunen uns immer wieder. Kamin und Grill: „Wir haben Barbecue in unserem Texas-Urlaub geliebt!“ Bidet: „Oh la la. Das ist so Französisch.“ Die Farbe der Fensterläden: „Erinnert mich an meine erste Wohnung, nachdem ich endlich von zu Hause ausgezogen bin.“ Oder der Golden Retriever der Nachbarn, der die lebhaften Kinder bezaubert und beschäftigt, während die Erwachsenen über Immobilien reden.

Eine alleinerziehende Mutter von zwei wohlerzogenen, bildhübschen Töchtern, die sehr engagiert in der Schule waren, kaufte einmal eine Wohnung, weil sie nur wenige Gehminuten von der Schule der Töchter und ihrem Reitstall entfernt war. Die 14- und 17-Jährigen hatten nichts, worüber sich Teenager-Eltern sonst aufregen; sie waren vorbildlicher als manche Erwachsene. Sie stritten sich nicht einmal, wer das größere Zimmer bekommen sollte. Die Mädchen hatten sich den kurzen Fußweg zur Schule und zu ihren Pferden wirklich verdient und Ihre Mutter eine Erziehungs-Goldmedaille. Überrascht es Sie, dass Sie eine beliebte Lehrerin war? Verstehen Sie mich bitte richtig. Die Immobilie muss die grundlegenden Kriterien erfüllen. Aber, wenn ein Käufer sich zwischen drei vergleichbaren Angeboten entscheiden muss, ist es manchmal die Entfernung zum Grillplatz, neben dem Reitstall, mit eingebautem Bidet, entscheidet.

Apropos Auswahlkriterien: oft huschen Interessenten oberflächlich über den Expose-Text und sind enttäuscht, wenn sie besichtigen, weil Ihr Kriterium fehlt. Erfüllt die Immobilie aber ihre Erwartungen, reden die Immobilie schlecht, als würden sie dafür bezahlt. Ihr Ziel, den Preis zu drücken, verfehlen sie damit. Im Gegenteil, der Makler wird einen sympathischeren Mitbieter vorzieht. Wenn der Verkäufer dann entscheiden muss, an wen er verkauft, raten Sie mal.

Die beiden anderen Interessenten für das „Ich-liebe-den-Keller“-Haus schienen wenig Interesse zu haben. Ein sehr junges, leicht nervöses Männerpaar, vermutlich "Über-den-Text-Huscher", stellte in Dauerschleife fest. „Also, dieser Raum ist ja auch viel kleiner! Oder „Das Haus ist ja so winzig“. Das nur 80 m² Kleinhaus, 3 Zimmer, abzüglich Treppe = 73 m², weigerte sich doch einfach, größer zu werden.

Ein anderes Paar, Anfang 30, etwas übergewichtig, im Partnerlook, Jeans und Poloshirt, beide lockige Haare, begrüßte uns und die anderen Interessenten mit „Wir brauchen übrigens nicht zu finanzieren“. Man konnte sehen, wie sich die anderen Käufer, die direkt danebenstanden, fremdschämten, wir auch. Familie Partnerlook nörgelte während der gesamten Besichtigung ununterbrochen. „Was für eine Ruine, alles muss renoviert werden. Die Zimmer sind klein und dunkel. Die Küche ist schäbig. Was für ein hässliches Badezimmer. Erdgeschoss und Kellerwände sind feucht. Der Holzschutz im Dach und Zaun ist ja giftig. Der Schornstein ist asbesthaltig.“ Sie erfanden weitere angebliche Mängel. Lieber Leser, Sie ahnen es schon: Das Paar war sehr interessiert und versuchte, die beiden anderen Interessenten zu vergraulen und den Preis zu drücken. Der erste Interessent, der Herr Haus-Zwilling, fragte nur kurz: „Sind Sie vom Fach?“ Herr Nörgelmeier: „Nein, aber die Mängel sieht doch ein Blinder“. „Ich seh´s nicht und meine Architektenaugen auch nicht!“, konterte Herr Haus-Zwilling trocken. Wir möchten selten unsere Interessenten umarmen, Herrn Haus-Zwilling schon. Herr Nörgelmeier, Tomaten rot im Gesicht, sah es bestimmt anders.

Frau Haus-Zwilling erklärte offenherzig, nachdem die anderen beiden Parteien gegangen waren, warum Sie vom Keller begeistert war: „Unser Haus, Keller, Garage und Gartenhaus sind riesig. Noch mehr Platz, noch mehr Stauraum, seit unsere beiden Kinder ausgezogen sind. Wissen Sie, mein Mann adoptiert ja alte Sachen und gibt ihnen ein neues Zuhause. Das ist süß und die Sachen sind urig. Aber sie vermehren sich, wie Karnickel. Eines Tages werden die Sachen nochmal auf ihn rauf fallen! Ich liebe meinen Mann innig, aber ich fürchte, ich könnte diejenige sein, die dann das Regal geschubst hat. Deshalb suchen wir nach einer kleineren Wohnung. Weniger Platz, weniger Sammeln, mehr Zeit füreinander“.

Ihr Mann rief am nächsten Tag an. Kurz und knapp machte er ein sehr gutes Angebot, das mit den Worten endete: „Meine Frau wird glücklich sein und ich auch, wenn ich Zeit mit ihr sammle, anstelle Dinge. Sagen Sie Ihr nichts, falls sie anruft, ich will sie überraschen.“ Seine Frau erstaunte uns mit einem Anruf am übernächsten Tag. „Mein Mann meinte nach der Besichtigung, dass ihm das Haus etwas zu klein sei und er absagen würde. Ich bringe es aber auch nicht wirklich übers Herz, ihm sein Sammeln zu nehmen.“ Wir erwarteten schon, dass sie das Angebot ihres Mannes zurückziehen würde. „Stellen Sie sich also mein Erstaunen vor, als er mir heute Morgen meinen Kaffee machte und sagte: Übrigens mein Schatz. Deine Augen haben so geleuchtet, als du den Keller des Reihenhauses gesehen hast. Ich habe ein Gebot dafür abgegeben. Wir kaufen das Haus. Steckt mein Mann nicht voller Überraschungen?“ Mehr Geschichten sind gerade in Arbeit; das Buch wird in 2026 erscheinen.